Sachschriftstellerin
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Gräfin Leopoldine wurde am 9. April 1825 in Brünn als zweites Kind des Grafen Eduard von Lamberg und der Gräfin Karoline, geb. von Sternberg , geboren. Ihr ein Jahr älterer Bruder Ernst, zu dem sie ein inniges Verhältnis aufbaute, starb im Alter von 26 Jahren. Leopoldine heiratete am 15. September 1845 den Bruder von Graf Leo und Graf Franz Anton von Thun-Hohenstein , Graf Friedrich Franz Josef von Thun-Hohenstein , Sohn des Grafen Franz de Paula Anton und der Gräfin Theresia Maria, geb. Brühl . Aus der Ehe entsprangen elf Kinder: Gräfin Therese , Graf Franz de Paula [1], Gräfin Karoline , Gräfin Marie , Gräfin Ernestine , Gräfin Wilhelmine , Gräfin Leopoldine (I83), Graf Eduard , Graf Friedrich , Graf Jaroslav und Gräfin Josefine .
Gräfin Leopoldine verbrachte ihre Kindheit bis 1838 in Kwassitz. Schon im Jahr ihrer Geburt traf die Familie von Lamberg ein schwerer Schicksalsschlag. Der Vater von Leopoldine und Ernst, Eduard von Lamberg, ertrank am 30. November 1825 bei einem Jagdausflug bei Wessely (Mähren).[2]
Die Erziehungsaufgabe von ihren Kindern wurde von Mutter Karoline an den Deutschböhmen Johann Nagel, der auch die Erziehung der Söhne des preußischen Gesandten Fürst Franz Ludwig von Hatzfeld, Majoratsherrn zu Trachenberg (1756-1827) [3] oder der Neffen des russischen Botschafters Graf Dimitri Tatischeff (?-1845) [4] übernommen hatte, übertragen. So erhielten die Kinder ab dem sechsten bzw. siebten Lebensjahr täglich bereits fünf bis sechs Lernstunden in denen ihnen die wichtigsten Kenntnisse und Inhalte der schulischen Grundausbildung [5] vermittelt wurden. Eine erste Studienreise erfolgte Anfang der 30er Jahre des 19. Jahrhunderts: Leopoldine und ihr Bruder Ernst reisten im Beisein ihres Lehrers und Erziehers Johann Nagel und ihrer Gouvernante Annette Nagel [6] nach Krakau, wo sie, ausgestattet mit einem Geldbetrag zum „Verschwenden“, alle Sehenswürdigkeiten der Stadt einschließlich Universität, Kirchen und Dom mit Gruft besichtigten. [7]
Schon während ihrer Kindheit entdeckte Gräfin Leopoldine ihre Liebe zu Poesie und Kunst. Sie verfasste Gedichte und begann zu malen. [8] Zudem hielt sie ihre Reiseeindrücke in ihrem „Journal“ fest.
Im Herbst 1839 reiste die Familie Lamberg nach Prag, wo sie die ehemalige Auersperg’sche Wohnung bezog. In Prag wurden neue Lehrende aufgenommen, Beziehungen zu Freunden geknüpft und der Plan einer deutsch-holländischen Studienreise [9] von Prag, Karlsbad und Eger über Frankfurt und Mainz nach Rotterdam gefasst.
Im Jahr 1841 wurde Leopoldine erstmals von ihrem Bruder getrennt, der für einige Monate nach Paris ging, wo er sich mit der französischen Sprache vertraut machen und sein künstlerisches Talent gefördert und ausgebildet werden sollte. Die junge Gräfin reiste stattdessen im März 1841 mit ihrer Mutter nach Italien und bestieg erstmals die Eisenbahn, da Mitte des 19. Jahrhunderts das Schienenverkehrsystem gut ausgebaut war. [10]
Im Alter von 17 Jahren lernte Gräfin Leopoldine von Lamberg bei einem Faschingsball auf der Sofien-Insel Graf Friedrich Franz Josef von Thun-Hohenstein kennen; beim nachfolgenden Damenball trafen die beiden erneut aufeinander. Ab diesem Zeitpunkt folgte ein häufiges Wiedersehen. Eine Heirat Leopoldines mit Friedrich Franz Josef von Thun-Hohenstein war jedoch aufgrund seiner Stellung als zweiter Sohn des Grafen Franz de Paula Anton und der Gräfin Theresia Maria, geb. Brühl, und als Diplomat "en sous-ordre" (noch) nicht möglich. [11]
Erst zwei Jahre später, im Jahr 1845 sollte der Bund fürs Leben geschlossen werden. Am 7. April verlobten sich die beiden. Die Vermählungszeremonie fand am 15. September 1845 in der Franziskanerkirche in Prag statt. Im Juli 1846 übersiedelten die hochschwangere Leopoldine und ihr Gemahl nach Bubentsch, wo sie eine Villa bewohnten. Am 14. Juli 1846 wurde ihre gemeinsame Tochter Therese von Thun-Hohenstein, ein Jahr später, am 2. September 1847, ihr gemeinsamer Sohn Franz von Thun-Hohenstein geboren. [12]
Die erste Zeit verbrachte die junge, glückliche Familie in Tetschen, wo sie ein ruhiges Leben führte. Als im Winter 1848 ihr Gemahl von Fürst Klemens Wenzel von Metternich (1773-1859) den Gesandtschaftsposten in Stockholm [13] übertragen bekam, übersiedelte die Familie nach Wien, wo Leopoldine auf Selina Clam-Martinic [14], Kaiserin Marianne [15] und die Fürstin Metternich [16] traf. Während dieser Zeit wurde Emma Czernak in das Haus Thun-Hohenstein-Lamberg bestellt, die sich der Pflege der Kinder annahm, der Gräfin unterstützend zur Seite stand und fast 50 Jahre im Dienst stand. [17]
Das junge Paar durchlebte eine von schweren Unruhen geprägte Zeit, die die junge Gräfin mit ihren Kindern meist von ihrem Mann [18] getrennt verbrachte. Nur selten konnten sich beide für kurze Zeit wiedersehen und über Geschehenes und Erlebtes berichten. Als am 23. September 1848 das gemeinsame Töchterchen Karoline zur Welt kam, war mit der Geburt auch ein Wermutstropfen verbunden: „Fritz“ [19] musste einen Tag zuvor wieder nach Stockholm aufbrechen und konnte die Geburt nicht miterleben. [20] Die von ihrem Mann getrennten „Schreckensmomente des Jahres 1848“ [21] verbrachte Leopoldine mit ihren Kindern bei ihrem Schwiegervater und den Schwägerinnen in Tetschen. [22] Im Jahr 1849 verlobte [23] sich Leopoldines Mutter mit Carl August Leopold Bigot von St. Quentin [24], der seit 1831 als unentbehrlicher Teil der Familie galt. Im folgenden Jahr wurde am 6. August das Töchterchen Marie in Frankfurt [25] geboren.
Als dem Grafen Thun-Hohenstein wenig später ein Posten in Berlin angeboten wurde, übersiedelte die ganze Familie erneut, hielt sich dort bis zum Jahr 1854 auf und brachte anschließend einige Jahre in Italien zu. Während der Zeit in Berlin konnte sich nicht nur Leopoldines Gemahl beruflich etablieren, auch die Gräfin selbst traf immer wieder auf interessante Persönlichkeiten. Zudem wurde das fünfte Kind, Ernestine von Thun-Hohenstein, die ihren Namen ihrem verstorbenen Onkel und Bruder Leopoldines, Graf Ernst von Lamberg, verdankte, am 12. März 1853 geboren. [26]
Die (Frankreich-)Reise mit ihrem Gatten Ende Juli 1854 [27] beeindruckte und prägte Gräfin Leopoldine ganz besonders. Fasziniert von der Vielfalt der französischen Städte, insbesondere Paris mit ihren Sehenswürdigkeiten, und der französischen Kultur kehrten die Gräfin und der Graf mit neuen Eindrücken von ihrem Aufenthalt, der einige Wochen dauerte, wieder nach Tetschen zu ihren Kindern zurück. [28] Im März 1855 trat Fritz seinen neuen Posten in Italien an und folgte am 16. September 1855 dem Feldmarschall Josef Wenzel Radetzky (1766-1858) [29] nach Verona während Leopoldine mit den Kindern etwas[break] später im Oktober nachreiste und sich dort bis 1857 aufhielt. [30] Am 25. Dezember 1855 wurde Gräfin Wilhelmine in Verona geboren. [31]
Während ihrer Zeit in Verona konnte Gräfin Leopoldine wichtige Persönlichkeiten empfangen, darunter Nikolaus von Weis (1796-1869) oder den amerikanischen Schriftsteller George Ticknor (1791-1871). Im Mai 1857 verließ die Familie Verona und kehrte in die „Heimat“ [32] zurück.
Zwei Monate später unternahmen ihr Gemahl Graf Friedrich Franz Josef von Thun-Hohenstein, dessen Schwester Gräfin Juža ( ), deren Vater Graf Franz Anton ( ) und Gräfin Leopoldine eine Reise nach England [33], von der sie erst im September wieder heimkehrten. Überwältigt und fasziniert von ihrem Dasein als Touristin bestaunte und erkundete Leopoldine von Thun-Hohenstein London, stattete dem Bruder von James Hope und Maler, Francis Grant (1803-1878) einen Besuch ab und machte einen Ausflug nach Windsor Castle. [34] Im Oktober 1858 beschloss die Familie, die Wintermonate an den verschiedensten Orten Italiens zuzubringen. [35]
Als Johann Bernhard von Rechberg (1806-1899) [36] 1859 in das Ministerium eintrat, nahm Graf Friedrich Franz Josef von Thun-Hohenstein die Chance auf eine erneute diplomatische Karriere wahr. [37] Alsbald wurde ihm ein Posten in St. Petersburg angeboten, den er nach Absprache mit Gräfin Leopoldine annahm und Anfang Dezember [38] antrat. Eine Woche später, am 14. Dezember 1859, starb das Töchterchen Therese. Leopoldine erhielt in dieser schweren Zeit Beistand von ihrer Mutter, ihrem Schwiegervater und ihrer Schwägerin Juža. Fritz konnte erst im Mai 1860 wieder nach Tetschen zurückkehren, jenem Zeitpunkt, an dem Leopoldine ihr Söhnchen Eduard [39] erwartete. Im Juli brach die gesamte Familie schlussendlich zu ihrem neuen Domizil nach St. Petersburg auf, wo sie für zwei Jahre lebte und wiederum auf zahlreiche angesehene Leute, unter ihnen Großfürstin Katharine (1827-1894) [40], Herzog Georg von Mecklenburg (1779-1860) [41], Kanzler Nesselrode (1780-1862) [42], traf. [43]
Nach einem mehrmonatigen Aufenthalt in Moskau sowie in Oranienbaum kehrte die Familie Thun-Hohenstein am 24. September 1861 nach St. Petersburg zurück, wo wenige Tag später das Söhnchen Friedrich [44] geboren wurde. Zum neuen Jahr 1862 luden die Thun-Hohenstein am 28. Jänner zu ihrem ersten Ball mit über 300 geladenen Gästen, unter ihnen Großfürstin Maria von Leuchtenberg (1841-1914) [45] mit ihren Kindern. Verschiedene Soiréen, Konzerte und Diners folgten. [46] Nach Ostern, am 3. Mai trat Leopoldine mit ihren Kindern (ohne Fritz [47]) die schon längst herbeigesehnte Heimreise nach Tetschen an. [48] Auf Anraten ihrer Mutter Caroline kaufte die Gräfin bereits im Frühjahr 1862 die Herrschaft Morkowitz in der Nähe von Kwassitz und Zdaunek, woraufhin die Familie abwechselnd die Sommer- und Herbstmonate zwischen Kwassitz und Tetschen verbrachte. [49]
Im Herbst 1863 erkrankten die jüngeren Kinder an Scharlach, um eine Ansteckung zu vermeiden, übersiedelten die älteren und jüngsten nach Wien, besuchten die Patienten jedoch öfters. Als der zweieinhalbjährige Friedrich schwer erkrankte, eilte Leopoldine, die sich gerade in Tetschen aufhielt, wieder zurück nach Wien. Allerdings kam Leopoldine zu spät, denn ihr Sohn Friedrich erlag am 24. Dezember 1863 seiner Diphterieerkrankung. [50]
Nach einer Zeit voll Trauer und Schmerz in Wien kehrte die Familie im Frühjahr 1864 nach Tetschen zurück, wo am 23. Mai 1864 der Sohn Jaroslav, am 23. Juni 1867 das Töchterchen Josefine, genannt Juža, geboren wurden. [51] Über 10 Jahre brachte die Familie die Sommermonate zwischen Tetschen und Kwassitz zu, in den Wintermonaten blieben sie in Wien, ehe beschlossen wurde, ihre Winterresidenz von Wien nach Prag zu verlegen. [52]
Das Jahr 1881 barg für die Gräfin zwei schlimme Schicksalsschläge: am 24 September 1881 starb ihr Gatte Friedrich Franz Josef. Für Leopoldine, die 36 Jahre überglücklich an dessen Seite lebte, ein leidvoller Tag und tiefer Einschnitt in ihrem Leben. Als Leopoldines Mutter wenige Monate später erkrankte, eilte ihre Tochter nach Wien, um sich ihrer Pflege anzunehmen. Allerdings verschlimmerte sich der Zustand ihrer Mutter Caroline zusehends, sodass sie am 31. Dezember 1881 verstarb. Mit dem Tod des Sohnes Eduard am 7. Mai 1885 in Peruc musste Gräfin Leopoldine Thun-Hohenstein einen weiteren schmerzlichen Verlust hinnehmen.
Gräfin Leopoldine verbrachte die letzten Jahre zurückgezogen im Kreis ihrer Familie, reiste mit einigen ihrer Kinder durch die Welt und schrieb im Jahr 1890 ihre Lebenserinnerungen [53] nieder.
Als sie anzunehmenden Augen- und Kopfschmerzen litt, musste sie das Lesen und Schreiben einschränken und war auf die Hilfe anderer, hauptsächlich ihrer Kinder, angewiesen. Gräfin Leopoldine von Thun-Hohenstein starb am 10. April 1902 in Prag.
Gräfin Leopoldine von Thun-Hohenstein war Mitglied beim Sternkreuzorden und Ehrendame des bayrischen Theresienordens.
Häufige Ortswechsel, lang andauernde und zahlreiche Trennungen von ihrem Gemahl, faszinierende Reisen und Erlebnisse und auch schmerzliche Verluste kennzeichnen das Leben von Gräfin Leopoldine von Thun-Hohenstein. Der Familienmensch wurde nicht nur der Mutterrolle gerecht, sondern war auch eine ausgezeichnete Ehegattin, die die verschiedensten Strapazen auf sich nahm, um ihrem Mann, der seinen beruflichen Verpflichtungen in Deutschland, Italien und Russland nachging, nahe sein zu können. Gräfin Leopoldine von Thun-Hohenstein war ein herzensguter und strenggläubiger Mensch, der es verstand, in jeder Situation „Familie“ zu schaffen und sich im Denken und Wandeln vom katholischen Glauben leiten zu lassen. Ihre „Erinnerungen aus meinem Leben“ schildern in eindrucksvoller Weise nicht nur ihren familiären Alltag, sondern enthalten darüber hinaus wertvolle Informationen zur politischen Geschichte Österreichs. [DL]